Prayer for the Sun Before Traveling basiert auf einem präkolumbianischen Text und ist zugleich Klanglandschaft, Gedichtvertonung, akustischer Reisebericht, Klangporträt einer geografischen Region und Dokumentation einer im Untergang begriffenen Sprache und Kultur.
Die Idee zu dem Stück entstand bereits 1994 während eines Studienaufenthalts in New York (Stipendium der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur), wo ich Anregungen für ein neues Projekt suchte - Thema: Sprache als Kulturträger.
Im Poets-House stieß ich auf den Band Snake Poems - An Aztek Invocation des jungen, in Kalifornien lebenden Dichters Francisco X. Alarcón, der sich in seinen neuesten Gedichten auf präkolumbianische sogenannte Spells and Prayers der Azteken bezieht, die in seinem Buch in der Originalsprache Nahuatl abgedruckt und von Alarcón ins Englische nachgedichtet sind.
Während ich begann, einige der zeitgenössischen und alten Texte für kleine Instrumentalbesetzungen - teilweise unter Einbeziehzung von Elektronik - zu vertonen, vertiefte ich mich immer mehr in die faszinierende Welt der Azteken und betrieb in verschiedenen New Yorker Museen und Institutionen Forschungen, die ich später im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin und im Museo de Antropologia y Historia und anderen Einrichtungen in Mexiko-City fortsetzte.
Es folgten drei Mexiko-Aufenthalte, wo ich in einigen Indiodörfern, in denen noch Nahuatl gesprochen wird, 'Fieldrecordings' und Aufnahmen der Gedichte in der Originalsprache machte.
Das vorläufig letzte Werk dieser Serie und Schaffensphase ist Prayer for the Sun Before Traveling, bei dem ich auf jegliche Klangverfremdung verzichtet habe, sondern neben den Einspielungen der drei InterpretInnen lediglich die O-Töne verwendete, die ich im Oktober 1997 in Mexiko aufgenommen habe.
Die Komposition war für den Prix Ars Acustica des WDR Köln sowie den Karl-Sczuka-Preis nominiert und erhielt den ersten Preis beim Internationalen Kompositionswettbewerb "Soundscapes voor 2000" in den Niederlanden.